Es dauerte nicht mal eine halbe Stunde, bis er auftauchte. Mit leicht erhobenem Rüssel trat er in unmittelbarer Nähe unseres Camps aus dem Mopane-Wald und hielt für einen kurzen Moment inne. Seine eben noch ruhigen Ohren begannen mit leichten Bewegungen zu wedeln, während er seinen Rüssel prüfend in den Wind hob. Ein Bulle, vielleicht zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alt – ein Einzelgänger, wie es bei Elefantenherren nach der Geschlechtsreife normalerweise vorkommt.
Wir bemerkten ihn erst, als er aus dem Dickicht hervorkam. Kein Geräusch, das ihn verriet, kein Brechen von Ästen.
Er senkte seinen Rüssel wieder. Langsam und bedächtig drehte er seinen Kopf in unsere Richtung, während seine Ohren eine nach nach vorne gerichtete Position einnahmen. Sie wedelten nun nicht mehr. So stand er eine ganze Weile dort und schaute beinahe teilnahmslos in unsere Runde. Trotz der Entfernung von knapp zwanzig Metern leuchteten seine Augen in einer Mischung aus Neugierde, Angst, Trauer und Mut bis zu uns herüber.
Wir waren reglos. Wir standen nur da und schauten ihn an. So wie er uns.
Dann drehte er langsam seinen Kopf wieder zurück. Erneut erhob er prüfend seinen Rüssel, kurz bevor er seinen massigen Körper wiederum in Bewegung setzte.
Majestätisch und scheinbar desinteressiert trottete er an uns vorbei. Seine Augen leuchteten jetzt noch mehr, noch intensiver und obschon sie nicht mehr direkt auf uns gerichtet waren, verfolgten sie doch jede noch so kleine Bewegung.
Wir waren Eindringlinge. Das musste er zumindest denken. Es ist sein Recht, so zu denken. Wir wollten ihn nicht stören, wir wollten ihm nichts böses. Aber woher soll er das wissen? Er handelt nach seinem Instinkt. Er verlässt sich nicht auf Gefühle oder Vermutungen.
In dieser Nacht habe ich lange am Feuer gesessen… fast eine Flasche Southern Comfort lang. Nein, Angst hatte ich nicht. Respekt hatte ich. Wie vor jedem Lebewesen. Vielleicht habe ich eher vor Menschen Angst als vor Tieren. Was unterscheidet uns denn vom Tier? Ein Tier handelt aus instinktiven Beweggründen, es erhält sich und es erhält seine Art. Und dafür tötet es manchmal sogar. Aber es schadet nicht wissentlich und schon gar nicht willentlich. Es kennt kein Unrecht, es kennt nur Recht.
Ich hab‘ den Rest der Flasche ausgeschüttet. Das macht mich anders. Das macht den Unterschied. Ich kann Dinge tun, die unsinnig sind. Dinge, die gegen die Logik sprechen und mehr schaden als nutzen. Und oft genug tu‘ ich sie auch. Dann bekomm‘ ich Angst vor mir selbst.
Chobe National Park 1998
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