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Roma bella mi appare…

Am späten Nachmittag, wenn die Sonne schon etwas müde an den hohen Häuserzeilen entlang streift , herrscht auf der Piazza Navona noch geschäftiges Treiben wie auf einer Grossbaustelle. Eine kleine Ecke auf einer der wenigen Steinbänke, die sich um Berninis Vierströmebrunnen gruppieren, konnte ich ergattern. Gerade habe ich mir ein Becherchen Eis aus einer der vielen Gelaterias gegönnt, obwohl es beinahe schon Zeit zum Abendessen wäre. Aber ein Eis geht hier immer, denn schliesslich sind wir in Italien. Während neben mir ein paar kids ausgiebig mit ihren smartphones beschäftigt sind, turnt eine ältere Dame über die den Brunnen schützende Brüstung hinweg und wird sogleich von den Ordnungskräften zurückgepfiffen. Nun, die Zeiten, wo man sich lustvoll in der Brunnenschale räkeln konnte, sind vorbei.

Mittlerweile habe ich den Standort gewechselt, denn gleich gegenüber wurde ein Eckchen einer anderen Steinbank frei, und auch, wenn ich mit den Flußgöttern des Brunnens schon auf ‚Du‘ bin, muss ich sie immer wieder bestaunen. Genau wie die kleine Gruppe japanischer Touristen, die versucht, mit dem Selfiestick ein präsentables Foto für die Lieben daheim hinzubekommen. Ach, diese neumodischen Errungenschaften, wie ich sie insgeheim verfluche. Früher wurde ich oft gefragt, ob ich ein Foto machen könnte, und daraus entwickelte sich manchmal ein nettes Gespräch. Mittlerweile klemmt man den mobilen Freund einfach in die Teleskopstange, die von den fliegenden Verkaufsstrategen massenweise feilgeboten wird.

So habe ich heute mein Gefrorenes ohne ein nettes Wort meiner Mitmenschen zu Ende gelöffelt. Sei es drum – gerade eben muss ich an ein italienisches Liedchen denken. Chitarra Romana – Jene römische Gitarre, die leidenschaftlich eine Stadt beschreibt, die man eigentlich gar nicht fassen kann. Eine Stadt, so komplex wie das Universum und doch so einfach zu verstehen wie ein Dorfbrunnen, wenn man sich ihrer Geschichte, ihrem Charme, ja sogar ihrem Gesang hingibt. Roma bella mi appare – wie schön erscheint mir Rom. Wenn auch die Strassenkünstler hier sich mittlerweile der touristischen Nachfrage angepasst haben… tief in Inneren horcht die Seele auf und erinnert sich an vergangene Zeiten.

Die Geschichte rasselt nur so vorüber: Alte Dynastien, klangvolle Herrschernamen, Päpste in dunklen Machenschaften, Orte des Grauens, aber auch prunkvolle Glorie, weisser Marmor und barocke Verzückung. Ein Weltreich in einem Atemzug, ein Imperium in seiner ganzen Ausdehnung von der Geburt bis zum Scheiterhaufen. Gerade werde ich etwas unsanft geweckt, denn gar nicht weit entfernt kontrolliert die städtische Polizei gerade eine Gruppe Straßenkünstler, die sich in typisch römischer Manier völlig ahnungslos gibt und sogleich eine Diskussion mit den Ordnungskräften beginnt. Höchste Zeit, in die Gassen abzutauchen. Es ist noch früh, und kaum ein Italiener sitzt jetzt schon zum Abendessen in einem der zahlreichen Ristorante, so bleibt auch für mich noch etwas Zeit.

Apropos Zeit, die sollte man reichlich mitbringen. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, alle Wege führen nach Rom – die geflügelten Worte sind geläufig. Tatsächlich ist es so, dass man sich auf die Stadt mehr einlassen muss als auf alle anderen Städte dieser Erde. Rom muss man am Schwanz packen, und Rom wird es danken und einen nie wieder los lassen. Rom ist anders. Rom verlangt deine ganze Aufmerksamkeit. Rom nimmt und Rom gibt, und das was du investierst, entlohnt dir diese Stadt doppelt und dreifach. Rom baut sich jeden Tag aufs Neue auf, und wenn du dich darauf einlässt, wirst du diesen Zyklus immer wieder neu erleben.

Mein Tisch ist noch frei. Kein Wunder, denn wenn die Terrasse meines Stammlokals am Abend gut gefüllt ist, hat es dort gerade noch Platz für einen einzelnen Gast. Ein kleiner Vorteil des Alleinreisens. Fettucine alla boscaiola – Pasta mit frischen Steinpilzen und Salsicca. Wie so oft lasse ich es mir mit dieser Köstlichkeit hier gut gehen. Dazu ein halber Liter Vino rosso de la casa. Von einem der Nebentische dringen ein paar Wortfetzen in holländisch zu mir herüber, und ich hoffe, dass sich vielleicht noch ein nettes Gespräch ergeben könnte. Zwischendurch immer mal wieder ein Lächeln der Chefin und ein paar nette Worte mit Daniele, einem der Kellner, der trotz des vollen Lokals zwischendurch noch Zeit dazu findet. So sind sie, die Römer.

Während sich der Wein langsam dem Ende neigt, bin ich gedanklich schon beim nächsten Tag. Weit im voraus plane ich fast nie. Es gibt kein must-see mehr für mich, und wenn es eines gibt, hat das auch noch Zeit bis zur nächsten Reise. In Rom läuft nichts weg. Morgen ist Montag, und da haben viele Museen sowieso geschlossen. Warm und schön soll es werden, und es wäre ein perfekter Tag für die Via Appia Antica, die ich wochentags fast für mich alleine hätte. Wie so oft erst mal auf einen Caffè Doppio in die Subura, dann die paar Schritte zum Kolosseum, wo ich mich allerdings damit begnüge, vor dem Amphitheater dem touristischen Treiben zuzuschauen. Dann vielleicht noch zur Villa Celimontana, einem kleinen Park auf dem Celio, wohin sich nur wenige Touristen verirren. Und in den Caracallathermen war ich auch schon lange nicht mehr…

„Un Limoncello, per favore“. Den gibt’s meistens nach dem Essen auf’s Haus, und er beendet heute abrupt meine gedankliche Planung für den kommenden Tag. Aber ein Becherchen Eis geht noch, und das natürlich wieder am Vierströmebrunnen, wo es mittlerweile deutlich ruhiger geworden ist. Kurz nach elf, und so langsam werde ich auch müde.

„Excuse me, can you take a photo of us?“

Na bitte, es geht doch. Nicht alle laufen den neumodischen trends hinterher.

„Yes, of course. Where do you come from?“

Die Stadt hat doch Mitleid mit einem armen Alleinreisenden.

Roma bella mi appare…

Oh Mosella

Von Nacktärschen, Goldkapseln und ehrlichen Häuten

 

In Vino Veritas… das wussten schon die alten Römer, als sie vor zwei Jahrtausenden das wahre Gold der Mosel entdeckten. Viele mehr oder weniger gut erhaltene Kelteranlagen zeugen heute noch davon, dass die einstige Weltmacht nicht nur den Falerner im eigenen Reich zu schätzen wusste, sondern auch in ihren Provinzen mächtig punktete. Über den Geschmack aus heutiger Sicht hüllen wir mal den Mantel des Schweigens, denn die Finessen der Kelterkunst waren damals lange nicht so ausgefuchst, als dass man nicht irgendwelche Zusätze wie Honig beimengen musste.

Zweitausend Jahre später hat sich die Moselregion tatsächlich zu einem Paradies der lieblichen Weingenüsse herausgemergelt. Nur wurde kein Honig mehr zugemischt, sondern im Wissen um die Edelfäule und derer süsser Konzentration der Traubenrosinen eine unerträgliche Anzahl hochkonzentrierter Sirupe geschaffen, die man sich heute über’s Vanilleeis kippen würde. Auf den Listen fanden sich fast ausschliesslich Spät-, Aus- und Beerenauslesen, und jeder Winzer war bestrebt, seine Waage möglichst in die höchsten Regionen der öchsler’chen Grade zu treiben. Jahrhundertjahre wie 1959 oder 1976 bescherten eine Unzahl tiefprozentiger, aber zuckersüsser Trockenbeerengesöffen, die auf Auktionen entsprechende Preise erzielten, die selbst den Schlossherren des Chateau d’Yqem die Wutröte ins Gesicht trieben.

Dann erfand Bacchus das Reisen fremder Nationen in die heimeligen Moselgestade. Flugs mit der Ankunft der ersten Japaner im Delta der nationalen Rieslingelite war die Mosel nicht nur bis in ihre letzten Winkel fotografisch abgemessen, sondern auch ihrer bis dahin geltenden hohen Qualitätsansprüche beraubt. Mindere Qualitäten wurden zusammengemischt, verrührt, vergoren, verpanscht, und geboren war der Kröver Nacktarsch, die Zeller Schwarze Katz‘ und lauter solche witzig anmutenden Lagen, die der Tourist aus Fernost bei der Übersetzung wahrscheinlich mit dem dämlichsten aller Grinsen beklatscht hat. Weine dieser Zunft finden sich heute noch zuhauf bei Kellerräumungen grosselterlicher Erbbestände.

Bacchus zürnte, und gebot dem Menschen doch etwas sorgsamer mit seiner Lieblingsplörre umzugehen. Und der Mensch besann sich und entdeckte, dass ein heimischer Wildschweinbraten mit einem trockenen Gläschen Moselriesling weitaus besser schmeckt als wie mit der honigsüssen Versuchung einer Auslese. Aber – viel wichtiger – es war jetzt cool und angesagt, herbe Weine zu trinken, also solche, die im Mund stauben und schmarren und die sich nur mit roher Gewalt durch den Kehlkopf quetschen lassen. Der erste, zum Glück nur vorrübergehende Dolchstoss für die Moselwinzer.

Der zweite war das Geschrei nach anderen Rebsorten. Bis dahin gab es an der Mosel Riesling – basta! Warum auch nicht, denn die Rebsorte ist quasi nur für die Steilhänge und Schiefergesteine der Mosel geboren worden. Keinem Winzer des aufgehenden 20. Jahrhunderts wäre es in den Sinn gekommen, es auch mal mit Weißburgunder oder gar rotem Burgunder zu probieren. Für den letzteren ist sowieso die Ahr zuständig. Kerner, Müller-Thurgau und andere Nebenerwerbsreben wurden schon in Maßen angebaut, aber jetzt trauten sich die Moselaner auch an die exotischsten Erwüchse bacchinaler Kelterkunst heran. Und mittlerweile gibt es trocken, halbtrocken, feinherb und lieblich in der fülligen Vielfalt verschiedenster Rebsorten.

Und Bacchus freute sich. Nicht nur er, denn mittlerweile ereilt den geneigten Weinfreund eine breite Palette erlesener Köstlichkeiten von der Mosel. Die Bandbreite reicht von staubtrocken bis „Honigmelone“; der herbe Rieslingschoppen des Waldarbeiters neben der Weißburgunderspätlese für die Damenwelt, der gemässigte Kabinett für alle Fälle folgt gleich einem exotischen Frühburgunder (den ich selbst am liebsten trinke), und dessen Kultivierung und Verarbeitung Schwierigkeiten mit sich bringt, die ich selbst nie für möglich gehalten hätte, aber den höheren Preis rechtfertigt.

Und jetzt zur Praxis. Ich meine den Weinkauf zu welchen Preisen, welche Lagen und überhaupt. Da komme ich auf die Goldkapseln, die nur als Sinnbild für das stehen, was man eigentlich nicht haben muss. Das Angebot an der Mosel ist riesengross, und reicht von superfair bis überteuer. Spitzenlagen erzielen regelmässig Höchstpreise, und wenn das nicht ein Winzer ausnutzen würde, wäre er schön blöd. Das wäre ich auch, würde ich diese Spitzenpreise bezahlen. Ich liebe Wein und bilde mir ein, etwas davon zu verstehen, aber die letzten Nuancen, die mit zweistelligen Eurobeträgen in Verbindung stehen, möchte ich nicht unterstützen. Ein Beispiel: Ein trockener Riesling – also ansich ein prädikatsloser Schoppen – kostet im allgemeinen zwischen vier und sechs Euro je nach Winzer. Bei meiner sommerlichen Radreise durch das Land der Mittelmosel lag der Rekord bei 34,90 Euro für eine Flasche „Riesling trocken – Brauneberger Juffer“, die allerdings erst ab September verfügbar ist. Beworben mit der „Goldkapsel“ – für was die auch immer steht, jedenfalls ist sie teuer. Dann ist der Winzer natülich in allen einschlägigen Magazinen der Weingenußwelt hochgelobt, und das will natürlich extra bezahlt werden.

Probieren, probieren und nochmals probieren. Man ist erstaunt, welche Qualitäten sich oft in unscheinbaren Flaschen verstecken. Da geht man ein paar Kilometerchen von der Mosel weg, beispielsweise nach Veldenz oder Platten, und findet leckere Weine zu fairen Preisen. Da produzieren ehrliche Häute, die sich schämen, für einen guten Tropfen mehr als den Durchschnitt zu verlangen. Da sitzen kleine Winzer, die grosse Weine machen.

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Zum Wohlsein!

Vivat Bacchus! Schon die alten Römer wussten den Wein hoch zu schätzen, und auch, wenn der Falerner von damals nicht das war, was man zweitausend Jahre später unter einem guten Tropfen verstehen wird, liess sich der Siegeszug des vergorenen Traubensaftes nicht aufhalten. Spätestens mit dem Einzug des globalen Handels schwemmte eine unüberschaubare Anzahl an Wein über unser Land hinweg: Cabernet aus Chile, Shiraz vom fünften Kontinent und der Chardonnay aus dem sonnigen Südafrika füllen mittlerweile die heimischen Supermarktregale, und das in den meisten Fällen zu solchen Preisen, wo man fast neidig wird, denn selbst könnte man nicht annähernd so billig viele tausend Kilometer weit reisen. Und jeder verdient daran – der eine mehr, der andere weniger.

Viele Jahre lang war ich weintechnisch auf Weltreise, und es waren viele köstliche Tropfen darunter. Mittlerweile bin ich wieder in heimischen Gefilden unterwegs. Einerseits ändern sich erwiesenermassen alle paar Jahre die Geschmacksgewohnheiten, andererseits ist Deutschland nun mal Weinland und steht qualitätsmässig mit an vorderster Front in der Gilde der Kellermeister. Der Weg zur Mosel oder an die Ahr ist etwas aufwändiger als in den Supermarkt, aber der Umweg lohnt sich. Ich kann probieren. Es wird nicht bloss gekauft, sondern zelebriert. Vor mir die leckere Auswahl der letzten Lese, und hinter mir das geballte Wissen des Winzers – das kann dann auch mal etwas länger dauern. Ein guter Wein braucht halt seine Zeit.

Am liebsten verbinde ich das angenehme mit dem angenehmen, und so habe ich „meinen“ Winzer in Platten b. Wittlich gefunden. Hier wird die Weinprobe zur Erlebnistour, ein Kurzurlaub mit gutem Essen, Radeln durch die gesunde Eifelluft und eben Wein. Ganz nebenbei bietet das Weingut Görgen auch noch Stellplätze für Wohnmobilisten an, so dass ich dort quasi rundum glücklich versorgt bin. Platten liegt nicht direkt an der Mosel, sondern sieben Kilometer entfernt etwas versteckt an der Lieser, und so kam ich irgendwann mal auf die Bezeichnung „Eifelwinzer“. Man trifft hier nicht auf die Massen wie in den berühmten Weinorten der Mosel, aber auch nicht auf die teils exorbitanten Preise, die sich so einige Winzer dort zu fragen erlauben. Dank des nahen Maare-Mosel-Radweges radelt man in kürzester Zeit auf einer alten Bahntrasse nach Lieser und wenige Kilometer weiter mitten ins Herz der Mittelmosel nach Bernkastel. Oder in die andere Richtung hinein in die stillen Eifelwälder…

Wie beim Wein hat man die Qual der Wahl.

 

Neulich beim „Eifelwinzer“…

Ein paar Tage zuvor.

„Guten Tag, ich bin jetzt schon mehrmals bei Ihnen eingekehrt und möchte jetzt doch mal eine „richtige“ Weinprobe machen.“
„Dieses Jahr oder nächstes?“  Das breite Grinsen war selbst durch das Telefon deutlich wahrnehmbar.
„Am späten Freitagnachmittag, wenn’s passt.“
„Wir sind gerade mitten in der Lese, also so ab neun Uhr abends hätte ich Zeit.“
„Ich habe gehört, ihr habt auch Stellplätze. Wir kommen mit dem Camper und da woll…..“
„Überhaupt kein Problem, kommt einfach vorbei.“

Freitag am späten Nachmittag. An der Theke werde ich von zwei freundlichen Mitarbeiterinnen empfangen.

„Hallöchen. Ich hatte diese Woche mit dem Chef telefoniert. Wir sind mit dem Camper hier.“
„Sehr schön. Herzlich willkommen! Dann fahren Sie einfach am Haus vorbei und weiter hinten sind die Stellplätze.“

„Dort stehen wir bereits, und wir haben uns auch schon am Strom bedient. Ist der Chef denn schon da?“
„Ja, aber der kocht gerade. Momentchen…“

Ein paar MInuten später dann der Chefempfang.

„Ach, da seid ihr ja. Ich koche gerade, aber lasst euch erst mal Wein geben.“

Das Weingut verfügt über eine Vinothek, die selbst einem Staatsbankett gerecht würde. Nun sollte man aber Verständnis haben, dass diese nicht für eine Person geöffnet wird. Die Weinverkostung findet im allgemeinen an der Theke statt, wobei man aufzählt, was man gerne probieren möchte. Dann öffnet sich eine grosse Kühlschublade, und die Weine werden herausgesucht. Was nicht offen ist, wird geöffnet. Dazu dann die passende Anzahl an Gläsern. Und die freundlichen Mitarbeiterinnen erfüllen sorgsam meine Wünsche.

„Den halbtrockenen brauche ich nicht mehr zu probieren. Da nehme ich zwölf Flaschen mit, aber bitte den 2015’er. Und zwei Flaschen Riesling Spätlese. Ich suche noch einen richtig staubig trockenen Riesling.“
„Dann den trockenen QbA. Viele sagen übrigens, dass der Riesling Classic noch etwas besser wäre.“ Und schon stand eine weitere Flasche vor mir.
„Darf ich Sie alleine lassen?“ Mehrere Tische sind mit Gästen besetzt, und die wollen schliesslich auch bedient werden.
„Na klar. Probieren kann ich allein.“
„Prima. Wenn Sie Fragen haben… der Chef und ich sind in der Nähe.“

Dann probiere ich mich mal weiter durch…

„Ok, dann noch sechs Flaschen vom Trockenen und zwei Flaschen Classic zum Nachprobieren zuhause.“
„Ist notiert.“

Mittlerweile ist in der Küche etwas Luft und Cheffe lugt um die Ecke.

„Alles gut?“
„Alles bestens! Die leckersten Weine sind übrigens fast alle vom Jahrgang 2015. War ein guter, oder?“
„Der beste seit Jahrzehnten. Sie sollten aber auch mal unsere Burgunderweine probieren. Vorab den Blanc de Noir, ein weißgekelterter Spätburgunder. Gibts in trocken und halbtrocken. Meine Damen hier trinken gerne Weiß- oder Grauburgunder.“
Nun schaltet sich auch die Dame ein: „Also ich mag eher den Weißburgunder. Probieren Sie aber ruhig mal beide.“
„Also erst einmal muss ich etwas essen. Ok, also die drei probiere ich gerne noch, aber bitte nur einen winzigen Schluck.“ Letzteres deswegen, weil die eingeschenkten Proben meist ein halbes Weinglas füllen. Ok, aber ich muss ja nicht mehr fahren.

„Und was halten Sie davon?“
„Schreiben Sie mal zwei weitere Flaschen vom Blanc de Noir auf.“

Zum Abendessen auf der Terrasse gibt es dann Filetspieß mit Tzaziki, hausgemachte Bratkartoffeln und einen üppigen Beilagensalat. Dazu ein Glas vom staubtrockenen Riesling. Heureka – genau den habe ich gesucht. Ein Wein, der den Härtetest besteht und auch zu einem Gyrosteller passen wird.

„Ich müsste meine Bestellung nochmals ändern. Von dem trockenen zwölf Flaschen. Dafür fällt der Classic raus. Und bitte noch eine Flasche Blanc de Noir als Nachttrunk für nachher.“

Am nächsten Morgen.

„Machen Sie mal aus den zwei Flaschen Blanc de Noir sechs.“

Das Gesamtpaket bestand letztendlich aus zwölf Flaschen Riesling halbtrocken, zwölf Flaschen Riesling trocken, sechs Flaschen Blanc de Noir und zwei Riesling Spätlesen. Alles mit zehn Prozent Rabatt und sorgsam vom Chef zusammengestellt, verpackt und abholbereit vor der Vinothek deponiert.

„Trinken Sie auch Roten?“

Ohne meine Antwort abzuwarten, bekam ich noch eine Flasche prämierten Dornfelder in die Hand gedrückt…

Zum Wohlsein im Haus der besten Schoppen!

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Eine Brücke erzählt

Immer, wenn ich über das Geländer hinab auf das aufgewühlte Trüb der Mosel blicke, muss ich schmunzeln. Nur eine der zahlreichen  Geschichten, die diese Brücke zu erzählen weiss, und eine der wenigen aus ihrer jüngeren Vergangenheit. Trotzdem geraten die Vorkommnisse aus den frühen 70’er Jahren des letzten Jahrhunderts mehr und mehr in Vergessenheit. Nur noch wenige, die sich erinnern. Manche sicherlich mit einem verschmitztem  Lächeln, und der ein oder andere hat bestimmt auch noch ein paar Fundstücke von damals herumliegen.

Für die, die ganz vorne mit dabei waren, muss es wohl „Moselgold“ gewesen sein. Dabei war das edelste Metall die absolute Ausnahme, dafür aber Unmengen von Kupfer und Bronze und ein wenig Silber, gearbeitet von vielen fleissigen monetarii, wie die Münzarbeiter der Römer damals genannt wurden.  Gefunden rund um die Römerbrücke im Kies der Mosel, die bis zum zweiten Brückenpfeiler trockengefallen war.  Das war 1971, als man Moselwasser wegen Schleusenarbeiten ablassen musste. Und die Menschen buddelten im Moselschlamm. Mit Schaufeln, Sieben und blossen Händen wurde der Zaster geborgen, und so manche Profisucher erbeuteten mit entsprechendem Gerät bis zu 500 Münzen am Tag, die sie anschliessend für wenige DM an Passanten entlang des nahen Radweges verscherbelten. Allein das sorgfältig durchsuchte Baggergut aus dem Umfeld der Römerbrücke brachte über 30.000 Münzen zutage; ein kleiner Teil davon ist heute im Rheinischen Landesmuseum Trier ausgestellt.

Goldgräberstimmung in der Römerstadt. Schätzungsweise wurden einige Hunderttausend Denare, Sesterzen, Asse und andere Nominale im Laufe der Jahre aus dem Bett der Mosel geborgen. Viele in erstaunlich gutem Zustand, was daran lag, dass der harte Moselgrund die Münzen vor Sauerstoff und einer damit verbundenen Korrosion weitgehend schützte. 1981 wurde die Schatzsuche an der Römerbrücke verboten, und  eine beachtliche Anzahl an römischen Münzen hat man bis dahin aus der Mosel fischen können.

Und wer wirft einfach Münzen weg? Die Römer waren’s, denn schliesslich hatten sie eine beachtliche Anzahl an Gottheiten vorzuweisen, darunter Mosella,  die im gleichnamigen Fluss  residierte. Und die wollte bei Laune gehalten werden. Menschen, die die Brücke passierten, warfen eine Münze in den Fluss, um sich mit diesem Obolus an die Flussgöttin eine gute Reise und die gesunde Rückkehr in die Stadt zu sichern.  „Reisen war in diesen Zeiten mit einem Risiko verbunden. Durch kleine Opfer versuchte man die Götter milde zu stimmen“, so der Stadtarchäologe Joachim Hupe. Vielleicht hat sich durch diese Geste auch so mancher Kaufmann ein erfolgreiches Geschäft in Augusta Treverorum erhofft. Wie auch immer, dieser Brauch wurde ungefähr 400 Jahre durchgezogen, und wenn man nachrechnet und von 100 Menschen täglich ausgeht, kommt man schnell auf eine schwindelerregende Anzahl von Geldstücken, die grösstenteils heute noch im Fluss verborgen liegen.

Wenn ich über das Geländer hinab auf das aufgewühlte Trüb der Mosel blicke, rauscht hinter mir der Verkehr. Viele tausend Fahrzeuge täglich, die die wehrhaften dreiecksförmigen Pfeiler der alten Moselbrücke malträtieren, die dort schon seit mehr als 18 Jahrhunderten stehen. Mitte des 2. Jahrhunderts wurde sie auf massivem Fels erbaut, und präzise behauene, tonnenschwere Quader aus Basalt und Blaustein sicherten ihr Überleben bis in die heutige Zeit. Einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass die Brücke den zweiten Weltkrieg halbwegs heil überstanden hat. Die von den deutschen Truppen angebrachten Sprengladungen detonierten aus rätselhaften Gründen nicht; wahrscheinlich waren die Zündkabel durch die vielen Trümmer, die auf der Brücke lagen,  beschädigt worden. So konnten die Amerikaner am Morgen des 2. März 1945 trockenen Fusses auf die andere Moselseite gelangen. 1986 nahm die UNESCO die alte Römerbrücke als Weltkulturerbe unter ihren Schutz.

Es riecht nach Abgasen und Flusswasser. Dröhnende LKW und Busse, dazwischen Motorräder, die das aufdringliche Rauschen der zahlreichen Autos überstimmen. Die Brücke muss dringend saniert werden, so die Stadt Trier, denn sie ist einem kritischen Zustand. Fünf Millionen Euro mindestens sind veranschlagt, und aus der Erfahrung weiss man ja, dass es meistens teurer wird als angedacht. Sicher ist, dass es wieder viele Münzen aus dem Moselsand zu bergen gibt. Einen Goldrausch wie vor knapp 50 Jahren  wird die Stadt allerdings nicht mehr erleben, denn archäologische Arbeiten finden heute unter grossen Sicherheitsbedingungen  und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Ich blicke über das Geländer hinab auf das aufgewühlte Trüb der Mosel, und ich freue mich, dass ich irgendwann dann die neuen Funde im Landesmuseum bestaunen kann.

Aber mit dabei gewesen wäre ich schon gerne… damals vor knapp 50 Jahren.

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In der jungen Zeit

Meine Hand fällt zitternd dem Neuen entgegen;
neugierig ängstlich, und ich lächele verlegen,
während deine Augen sich leise schliessen.

Um uns ist nichts, und keiner wird uns stören;
keine Macht, die uns hindert, und niemand ist hier.
Du sagst, du geniesst, und du bist ganz bei mir;
und wir küssen uns und wir lassen uns gehen,
und wir haben uns lieb und wir wollen uns verstehen

in der jungen Zeit.

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Jetzt und Gleich

Das Jetzt ist wie ein Nebelschwaden
voll Frost und Angst und Einsamkeit.
Es stellt mir ungeduldig Fragen
an diesen trübgemalten Tagen;
sucht leichte Antwort in der Zeit.

Ich atme schwer im Morgenregen,
der aus dem kalten Nebel bricht;
und auf den aufgeweichten Wegen
geh‘ ich mit festem Schritt entgegen
dem Gleich in unbekanntem Licht.

. . .

Der Welt zum Spott

Eine seltsame, fast schon beängstigende Faszination überkommt mich, wenn ich ein archäologisches Museum betrete. „Alte Steine gucken“, wie es eine liebe Freundin so nett zu sagen pflegte, wenn ich wieder mal stundenlang in den Hinterlassenschaften der römischen Geschichte schnüffelte.  Da wird jeder ausgescharrte Trümmer zum begehrlichen Anschauungsobjekt, und das ganz besonders dann, wenn es um die eigene Heimat geht. Immerhin hat das Römische Reich auch hier seine Spuren hinterlassen. Also wieder mal Spurensuche.

Diesmal in einem Museum, das ich nicht nur für eines der gepflegtesten, charmantesten und hochwertigsten des Landes halte, sondern das auch in der Stadt steht, die wie kaum eine andere die römische Geschichte auf einem Silbertablett der Nachwelt präsentiert. Treveris, das heutige Trier. Eine Römerstadt wie aus dem Geschichtsbuch geschnitten. Mit allem, was damals so dazugehörte: Thermen, Amphitheater, der berühmten Porta Nigra und der ältesten, erhaltenen Brücke des Landes. In Trier kann man tief in die Geschichte abtauchen, und besonders schön kann man das im Rheinischen Landesmuseum.

Ein unförmiger Klumpen grobkörnigen Marmors, verwaschen, nichtssagend und in einer unscheinbaren Ecke der Museumsräume versteckt interessierte mich ganz besonders. Man muss schon die Legende kennen, oder zumindest das begleitende Aushängeschild zum Exponat lesen. Am besten beides, denn dann findet man sich in einer spannenden Geschichte wieder, die ich hier erzählen werde.

Die Venus von St. Matthias.

Eigentlich ein bizarrer Umgang mit dem Erbe Roms, aber wenn man die näheren Umstände berücksichtigt, mag man aus heutiger Sicht denen verzeihen, die aus  der Schönsten aller Frauen  jenen deformierten Trümmer geschaffen haben, der heute nur eine abgelegene Museumsecke ausfüllt. Exerten schätzen, dass sie ursprünglich der Venus von Capua nachempfunden wurde. Jedenfalls war sie sicherlich zum Zeitpunkt ihres Schaffens hübscher, als das heute der Fall ist. Vielleicht hätte sie es nicht mal in die Chroniken geschafft – die Römer haben bekanntlich viele schöne Steine behauen, aber ein unglückseeliger Umstand verhalf ihr dann doch zu einem Platz in der Geschichtsschreibung. Erstmalig erwähnt wurde sie 1551. Damals waren Wallfahrten schwer in Mode, und Trier war ein beliebtes Ziel der pilgernden Frömmler. Die hübsche Dame hatte jedoch das Pech, dass man sie für die zauberische und unheilbringende Göttin Diana hielt.

Einige Jahrhunderte  harrte sie als Zielscheibe wallfahrtlichen Glaubenseifers vor den Toren St. Matthias, um von den Pilgermassen mit Steinen beworfen zu werden. Damit wollten sie zeigen, dass sie die alten unchristlichen Götter ablehnten. Erst im Jahre 1811 wurde der bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte und geschundene Torso  aus der mit Steinen gefüllten Grube hervorgezogen und der Obhut der damaligen Denkmalpfleger übergeben. So war dem geplagten Idol nach langwieriger Strafverbüssung und Verspottung endlich ein Ruheplätzchen sicher.

Eine Inschrift aus dem frühen 17. Jahrhundert erzählt heute noch über die Vorkommnisse in damaliger Zeit. Hier liegt die mittelalterliche Sage von der Aussendung der drei Bischöfe durch den Apostel Petrus zugrunde. Das wahrsagerische Götzenbild soll als letztes die Ankunft des Eucharius in Trier geweissagt haben und dann für immer verstummt sein.

„WOLT IHR WISSEN WAS ICH BIN
ICH BIN GEWESEN EIN ABGOTTIN
DA S. EVCHARIVS ZV TRIER KAM
ER MICH ZERBRACH MEIN EHR ABNAHM
ICH WAR GEEHRET ALS EIN GOTT
IETZ STEHEN ICH HIE DER WELT ZV SPOT.“

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Zigeunersosse

Klassische Sosse mit hohem Suchtfaktor

  • 3 Paprika rot
  • 1 Paprika grün
  • 2 grosse Gemüsezwiebeln
  • 1 Chili
  • 2 grosse Fleischtomaten
  • 1 Glas Sandwich-Gurken
  • 3 Eßl. Tomatenmark
  • 3 frische Lorbeerblätter
  • ca. 2 Eßl. Maggi Delikatess Bratensosse (Pulver)
  • 1 Bund glatte Petersilie
  • ca. 3 Eßl. Rübenkraut
  • ca. 1 Eßl. Rinderbrühe (Pulver)
  • Essig-Essenz
  • weisser oder grüner Pfeffer
  • Salz
  • brauner Zucker
  • Zimt
  • gemahle Nelken
  • Paprikapulver edelsüss
  • Paprikapulver scharf
  • Chilipulver
  • Rapsöl zum Braten

Eiene rote Paprika, eine Zwiebel, die Tomaten und die Chili kleinschneiden. Etwas Rapsöl im Topf erhitzen und das Tomatenmark unter Rühren darin anbraten. Das Gemüse hinzugeben und etwas anbräunen. Mit Wasser auffüllen, bis das Gemüse bedeckt ist. Auf kleiner HItze eine Stunde köcheln lassen und bei Bedarf noch etwas Wasser zugeben. Anschliessend durch die Passiermühle drehen.

Bis auf die Petersilie die Gewürze und etwas vom Gurkenwasser zugeben und abschmecken. Zimt und Nelken nur in homöopathischen Dosen verwenden. Die Sosse sollte jetzt noch etwas dünnflüssig sein und darf noch einige Zeit einkochen; je nach Wasserzugabe etwa 10 – 20 Minuten. Währenddessen die restliche Paprika und Zwiebel in mundgerechte Stücke schneiden und etwa 15 Minuten vor Ende der Garzeit dazugeben. Zum Schluss die feingehackte Petersilie und die kleingeschnittenen Gurken zufügen und noch wenige Minuten heiss werden lassen, aber nicht mehr kochen.

Passt zu allem Kurzgebratenem wie Schnitzel, Bratwurst & Co. und natürlich auch auf Pommes. Lässt sich prima auf Vorrat kochen und einfrieren.

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