Der Welt zum Spott

Eine seltsame, fast schon beängstigende Faszination überkommt mich, wenn ich ein archäologisches Museum betrete. „Alte Steine gucken“, wie es eine liebe Freundin so nett zu sagen pflegte, wenn ich wieder mal stundenlang in den Hinterlassenschaften der römischen Geschichte schnüffelte.  Da wird jeder ausgescharrte Trümmer zum begehrlichen Anschauungsobjekt, und das ganz besonders dann, wenn es um die eigene Heimat geht. Immerhin hat das Römische Reich auch hier seine Spuren hinterlassen. Also wieder mal Spurensuche.

Diesmal in einem Museum, das ich nicht nur für eines der gepflegtesten, charmantesten und hochwertigsten des Landes halte, sondern das auch in der Stadt steht, die wie kaum eine andere die römische Geschichte auf einem Silbertablett der Nachwelt präsentiert. Treveris, das heutige Trier. Eine Römerstadt wie aus dem Geschichtsbuch geschnitten. Mit allem, was damals so dazugehörte: Thermen, Amphitheater, der berühmten Porta Nigra und der ältesten, erhaltenen Brücke des Landes. In Trier kann man tief in die Geschichte abtauchen, und besonders schön kann man das im Rheinischen Landesmuseum.

Ein unförmiger Klumpen grobkörnigen Marmors, verwaschen, nichtssagend und in einer unscheinbaren Ecke der Museumsräume versteckt interessierte mich ganz besonders. Man muss schon die Legende kennen, oder zumindest das begleitende Aushängeschild zum Exponat lesen. Am besten beides, denn dann findet man sich in einer spannenden Geschichte wieder, die ich hier erzählen werde.

Die Venus von St. Matthias.

Eigentlich ein bizarrer Umgang mit dem Erbe Roms, aber wenn man die näheren Umstände berücksichtigt, mag man aus heutiger Sicht denen verzeihen, die aus  der Schönsten aller Frauen  jenen deformierten Trümmer geschaffen haben, der heute nur eine abgelegene Museumsecke ausfüllt. Exerten schätzen, dass sie ursprünglich der Venus von Capua nachempfunden wurde. Jedenfalls war sie sicherlich zum Zeitpunkt ihres Schaffens hübscher, als das heute der Fall ist. Vielleicht hätte sie es nicht mal in die Chroniken geschafft – die Römer haben bekanntlich viele schöne Steine behauen, aber ein unglückseeliger Umstand verhalf ihr dann doch zu einem Platz in der Geschichtsschreibung. Erstmalig erwähnt wurde sie 1551. Damals waren Wallfahrten schwer in Mode, und Trier war ein beliebtes Ziel der pilgernden Frömmler. Die hübsche Dame hatte jedoch das Pech, dass man sie für die zauberische und unheilbringende Göttin Diana hielt.

Einige Jahrhunderte  harrte sie als Zielscheibe wallfahrtlichen Glaubenseifers vor den Toren St. Matthias, um von den Pilgermassen mit Steinen beworfen zu werden. Damit wollten sie zeigen, dass sie die alten unchristlichen Götter ablehnten. Erst im Jahre 1811 wurde der bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte und geschundene Torso  aus der mit Steinen gefüllten Grube hervorgezogen und der Obhut der damaligen Denkmalpfleger übergeben. So war dem geplagten Idol nach langwieriger Strafverbüssung und Verspottung endlich ein Ruheplätzchen sicher.

Eine Inschrift aus dem frühen 17. Jahrhundert erzählt heute noch über die Vorkommnisse in damaliger Zeit. Hier liegt die mittelalterliche Sage von der Aussendung der drei Bischöfe durch den Apostel Petrus zugrunde. Das wahrsagerische Götzenbild soll als letztes die Ankunft des Eucharius in Trier geweissagt haben und dann für immer verstummt sein.

„WOLT IHR WISSEN WAS ICH BIN
ICH BIN GEWESEN EIN ABGOTTIN
DA S. EVCHARIVS ZV TRIER KAM
ER MICH ZERBRACH MEIN EHR ABNAHM
ICH WAR GEEHRET ALS EIN GOTT
IETZ STEHEN ICH HIE DER WELT ZV SPOT.“

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