Immer, wenn ich über das Geländer hinab auf das aufgewühlte Trüb der Mosel blicke, muss ich schmunzeln. Nur eine der zahlreichen Geschichten, die diese Brücke zu erzählen weiss, und eine der wenigen aus ihrer jüngeren Vergangenheit. Trotzdem geraten die Vorkommnisse aus den frühen 70’er Jahren des letzten Jahrhunderts mehr und mehr in Vergessenheit. Nur noch wenige, die sich erinnern. Manche sicherlich mit einem verschmitztem Lächeln, und der ein oder andere hat bestimmt auch noch ein paar Fundstücke von damals herumliegen.
Für die, die ganz vorne mit dabei waren, muss es wohl „Moselgold“ gewesen sein. Dabei war das edelste Metall die absolute Ausnahme, dafür aber Unmengen von Kupfer und Bronze und ein wenig Silber, gearbeitet von vielen fleissigen monetarii, wie die Münzarbeiter der Römer damals genannt wurden. Gefunden rund um die Römerbrücke im Kies der Mosel, die bis zum zweiten Brückenpfeiler trockengefallen war. Das war 1971, als man Moselwasser wegen Schleusenarbeiten ablassen musste. Und die Menschen buddelten im Moselschlamm. Mit Schaufeln, Sieben und blossen Händen wurde der Zaster geborgen, und so manche Profisucher erbeuteten mit entsprechendem Gerät bis zu 500 Münzen am Tag, die sie anschliessend für wenige DM an Passanten entlang des nahen Radweges verscherbelten. Allein das sorgfältig durchsuchte Baggergut aus dem Umfeld der Römerbrücke brachte über 30.000 Münzen zutage; ein kleiner Teil davon ist heute im Rheinischen Landesmuseum Trier ausgestellt.
Goldgräberstimmung in der Römerstadt. Schätzungsweise wurden einige Hunderttausend Denare, Sesterzen, Asse und andere Nominale im Laufe der Jahre aus dem Bett der Mosel geborgen. Viele in erstaunlich gutem Zustand, was daran lag, dass der harte Moselgrund die Münzen vor Sauerstoff und einer damit verbundenen Korrosion weitgehend schützte. 1981 wurde die Schatzsuche an der Römerbrücke verboten, und eine beachtliche Anzahl an römischen Münzen hat man bis dahin aus der Mosel fischen können.
Und wer wirft einfach Münzen weg? Die Römer waren’s, denn schliesslich hatten sie eine beachtliche Anzahl an Gottheiten vorzuweisen, darunter Mosella, die im gleichnamigen Fluss residierte. Und die wollte bei Laune gehalten werden. Menschen, die die Brücke passierten, warfen eine Münze in den Fluss, um sich mit diesem Obolus an die Flussgöttin eine gute Reise und die gesunde Rückkehr in die Stadt zu sichern. „Reisen war in diesen Zeiten mit einem Risiko verbunden. Durch kleine Opfer versuchte man die Götter milde zu stimmen“, so der Stadtarchäologe Joachim Hupe. Vielleicht hat sich durch diese Geste auch so mancher Kaufmann ein erfolgreiches Geschäft in Augusta Treverorum erhofft. Wie auch immer, dieser Brauch wurde ungefähr 400 Jahre durchgezogen, und wenn man nachrechnet und von 100 Menschen täglich ausgeht, kommt man schnell auf eine schwindelerregende Anzahl von Geldstücken, die grösstenteils heute noch im Fluss verborgen liegen.
Wenn ich über das Geländer hinab auf das aufgewühlte Trüb der Mosel blicke, rauscht hinter mir der Verkehr. Viele tausend Fahrzeuge täglich, die die wehrhaften dreiecksförmigen Pfeiler der alten Moselbrücke malträtieren, die dort schon seit mehr als 18 Jahrhunderten stehen. Mitte des 2. Jahrhunderts wurde sie auf massivem Fels erbaut, und präzise behauene, tonnenschwere Quader aus Basalt und Blaustein sicherten ihr Überleben bis in die heutige Zeit. Einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass die Brücke den zweiten Weltkrieg halbwegs heil überstanden hat. Die von den deutschen Truppen angebrachten Sprengladungen detonierten aus rätselhaften Gründen nicht; wahrscheinlich waren die Zündkabel durch die vielen Trümmer, die auf der Brücke lagen, beschädigt worden. So konnten die Amerikaner am Morgen des 2. März 1945 trockenen Fusses auf die andere Moselseite gelangen. 1986 nahm die UNESCO die alte Römerbrücke als Weltkulturerbe unter ihren Schutz.
Es riecht nach Abgasen und Flusswasser. Dröhnende LKW und Busse, dazwischen Motorräder, die das aufdringliche Rauschen der zahlreichen Autos überstimmen. Die Brücke muss dringend saniert werden, so die Stadt Trier, denn sie ist einem kritischen Zustand. Fünf Millionen Euro mindestens sind veranschlagt, und aus der Erfahrung weiss man ja, dass es meistens teurer wird als angedacht. Sicher ist, dass es wieder viele Münzen aus dem Moselsand zu bergen gibt. Einen Goldrausch wie vor knapp 50 Jahren wird die Stadt allerdings nicht mehr erleben, denn archäologische Arbeiten finden heute unter grossen Sicherheitsbedingungen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Ich blicke über das Geländer hinab auf das aufgewühlte Trüb der Mosel, und ich freue mich, dass ich irgendwann dann die neuen Funde im Landesmuseum bestaunen kann.
Aber mit dabei gewesen wäre ich schon gerne… damals vor knapp 50 Jahren.
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