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Platzgeschichten

Volksfeste sind eigentlich gar nicht mein Ding, erinnern sie mich doch meist an die regionalen Schützentreffen in der unteren Sackeifel – nur mit dem Unterschied, dass die grünweissgestreiften Brüder zwar ihre Uniformen zuhause lassen, dafür aber ihre gesamte Sippschaft mitbringen. Während Oma am Karussell geduldig wartet, bis die Blagen zehn Chips lang im Kreis gefahren sind, steuert Papa schon schweissdurchtränkt die nächste Bölkbude an. Und Mutter bugsiert fünf Bratwürste durch die Menschenmenge und sucht die ganze Bagage. Vorsicht – heiss und fettig. Und laut und schrill. Und überhaupt. Wehe, wenn sie losgelassen…

Einmal im Jahr breche ich mein Gelübde. Genaugenommen in der letzten Juliwoche, wenn in der Stadt die Annakirmes stattfindet, werde ich zappelig. Eine ganze Woche lang liegt Düren im Rummelfieber und für so manchen Einheimischen gehören diese hohen Feiertage höher gefeiert als Weihnachten und Ostern zusammen. Hier trifft man sich. Zumindest, wenn man dazugehört oder dazugehören möchte. Und zwischen Geisterbahn und Backfischbude trifft man immer auf den ein oder anderen, den man sonst fast das ganze Jahr nicht zu Gesicht bekommt. Die ersten sichtet man meist schon am Bierbüdchen wenige Schritte hinter dem Haupteingang und manche von ihnen sieht man an der gleichen Stelle ein paar Stunden später wieder.

Der Dürener Aborigine beginnt seine Tour für gewöhnlich am Bitburger (das ist das besagte Büdchen gleich am Haupteingang), geht dann über Warsteiner und Köstritzer bis zum Paulaner, um dann irgendwann am Bitburger von vorhin zu enden. Und dazwischen noch fünf Mühlenkölsch vom Fass, fünfzig Zentimeter Thüringer Rostbratwurst vom Gasgrill und drei Reibekuchen mit Apfelmus. Sozusagen eine rustikale Schlemmerreise durch die grossdeutschen Lande zusammengepfercht in knapp fünf jubeltrubelheiteren Stunden.

Dabei kann die Annakirmes auf eine lange Tradition zurückblicken. Der Krimi begann schon Anfang des 16. Jahrhunderts, als ein Aachener Steinmetz in Mainz ein Stückchen Schädeldecke einer bis dato Unbekannten mopste und selbiges bei den Franziskanern in Düren deponierte. So unbekannt schien diese allerdings doch nicht zu sein, da sich kurz darauf eine Mainzer Delegation in Bewegung setzte, um ihr geliebtes Requiem zurück in die Heimat zu holen. Dies hätten sie auch fast geschafft, wäre da nicht der Dürener Stadtrat gewesen. Was einmal in Düren ist, bleibt auch dort, und so reisten die Mainzer dann unverrichteter Dinge und mit leeren Händen wieder ab. Die Sache ging vor Gericht und letztendlich musste die päpstliche Gewalt entscheiden. Der heilige Stuhl entschied sich für Düren, was der Stadt nicht nur die Annakirche bescherte. Wallfahrten waren damals schwer in Mode und so pilgerten kurze Zeit später bereits Tausende in die kleine Stadt an der Rur. Mitte des 17. Jahrhunderts gesellte sich zum Gedenktag ein Markt um die Kirche – damals noch ohne Achterbahn, Höllenblitz oder sonstigen adrenalinerhöhenden Karussellattraktionen. Aber das gastronomische Geschäft blühte damals schon und so wurde der Annamarkt im Laufe der Jahre erst auf drei und dann sogar auf acht Tage erweitert.

Heute darf satte neun Tage lang mehr oder weniger durchgefeiert werden. Die ganz harten nehmen sich in dieser Zeit Urlaub und verbringen diesen dann auch grösstenteils auf dem Festplatz. An den Insidertreffpunkten, also den besagten Bölkbuden wird gezapft, gelacht, gequasselt, geguckt, gebaggert und eben gebölkt, gleich nebenan frittiert, gebacken, gegrillt, geschmatzt, genossen und gerülpst. Und zwischendurch schlangegestanden vor den Toilettenwagen. Ganz schlaue von auswärts schlagen sich in die nahegelegenen Büsche des Rurufers, die die Einheimischentrupps ausschliesslich nur zum Kollektivkotzen nach der einminütigen Cyber-Space-Tour aufsuchen. Tja, wer die Regeln nicht kennt, tritt irgendwann nicht nur in die Scheisse.

Dienstags ist Familientag und die meisten Fahrgeschäfte senken ihre sowieso schon überhöhten Preise auf ein bezahlbares Level. Leider bevölkern dann auch Scharen von Kinderwagen die Szene. Wer nicht gerade masochistisch veranlagt ist und keine blaugrünen Hacken mag, hält sich bis zum späteren Abend besser dort fern. Oder geht gleich donnerstags zum Gruppeninvasionstag, wenn Vereins-, Arbeits- und sonstige Kameraden in Herden zusammengerottet zum Sturm auf die Kirmesbastille blasen. Und wer dann noch nicht genug hat, lässt sich am Freitag vom grossen Brilliantfeuerwerk der Schausteller bespassen. Eintritt frei – die Sicht leider meistens nicht, und derjenige, der das Feuerspiel am abendlichen Provinzhimmel brilliant und vor allem ohne Sichtstörung geniessen möchte, schmeisst sich mit Sitzpolster und Sixpack bewaffnet auf eine der nahegelegenen Parkwiesen.

Mittlerweile pilgern jährlich weit mehr als eine Million Menschen zum Annafest und seit mehr als dreissig Jahren wird die Weltmeisterschaft im Kirsch-Kern-Weitspucken hier ausgetragen. Die Stadt kassierte in diesem Jahr stolze Eins-Komma-Zwei Millionen Euro Platzmiete von den Schaustellern, die sich um die Gunst eines Standplatzes geradezu zerfleischen. Schon der kleine Stand, wo man mit magnetischen Angeln kleine gelbe Plastikenten fischen kann, die lustig im Wasserbad herumflitzen, bezahlt fünfzehn Mille, um mit dabei sein zu dürfen. Da wunderts doch niemanden, dass man für einen nicht mal zweiminütigen Cyber-Space-Höllentrip in luftiger Höhe gleich um sieben Euro ärmer wird. Durch die Preise für ein frisch gezapftes steigt eh kein Mensch mehr, weil geschickterweise die Grösse der Behältnisse unterschiedlich gewählt werden. Bei Einsdreissig für’s Nullzweier beginnt der Spass, wenn auch die Krone etwas üppiger als gewohnt ausfällt. Am Stand gegenüber kostet der begehrte Saft dann schon glatte zwei Euro, dafür ist das Glas auch grösser und ausserdem bis weit über die Eichmarke gefüllt.

Nehmen wir mal die deutsche Durchschnittsfamilie, die am Sonntagnachmittag drei Stündchen über den Platz schlurft: Zwei Blagen unterschiedlichen Geschlechts, eines im Kindergartenalter, das andere hat sich mal gerade eben ins dritte Schuljahr gerettet; Papa fährt tagsüber Tiefkühllaster für Bofrost und Mutter bringt zweimal pro Woche die Nachbarwohnung auf Hochglanz. Da ist ein Fuffi viel Geld und mehr als schnell aufgebraucht, und darin ist weder Papa’s Fahrt mit der Alpina-Achterbahn noch die grosse Tüte frisch gebrannter Mandeln für die wartende Oma daheim enthalten. Einmal Geisterbahn für alle, Mutter darf mal auf’s Riesenrad und für die Kids gibts ’n Fünferabo mit dem Kinderkarussell. Anschliessend zehn Lose und den Griff in die Trostpreiskiste. Und dann noch Pommes und Zuckerwatte und Schlumpfeis. Und drei Helle für Papa, während er im Schatten diverser Bierbudensonnenschirme auf den Rest der Sippe warten muss. Den letzten Euro bekommt noch die Toilettenfrau – für Mutters schwache Blase und fürs Aufwischen von Sohnemanns plötzlich wieder zum Vorschein gekommen Pommes mit extraviel Mayo. Schliesslich will jeder an dem grossen Festplatzbraten mitmampfen.

Knapp fünfunddreissig Euro kosteten mich fünf volle Stunden Jahrmarktfreuden. Dafür gabs einen halben Meter Thüringer vom Gasgrill zu vier Euronen, drei Reibkuchen (mit Apfelmus!) für Zweifuffzig und die letzten drei Euro schluckte die Karussellfahrt mit dem überfüllten Sonderbus bis nach hause. Der ‚Rest‘ war schon fast vollständig verdunstet oder in der Kanalisation verschwunden.

Aber schön wars. Und vielleicht nehm ich nächstes Jahr Ende Juli sicherheitshalber mal ’ne Woche Urlaub…

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Oma so lieb

Ich gehe nicht oft an ihr Grab, weil ich Friedhöfe nicht mag. Die Kombination von frischem Erdgeruch, roten Grablichtern und Vergissmeinnicht dort liegt wie ein klitschnasser Teppich auf meinen Gedanken. Und denken tu ich ohne das alles auch oft genug an sie. Vor allem zu Karneval, als ich sie vor mehr als 20 Jahren tot vor ihrem Bett liegend gefunden habe. Damals war ich knapp 19. Mit dem Tod war ich bis dahin noch nie in Berührung gekommen. Jedenfalls nicht so nah. Ich wusste, dass sie irgendwann sterben wird, aber es kam so unvermittelt und plötzlich, dass ich keine Zeit hatte, intensiv darüber nachzudenken. Tod durch Gehirnschlag diagnostizierte der Arzt später. Ein schöner Tod, wie so mancher bemerken würde. Wenn man Sterben überhaupt so bezeichnen kann.

Als kleines Mädchen hat sie den ersten Weltkrieg miterlebt. Nur am Rande, aber sie wusste früh, was es heisst, Hunger zu haben. Ein Viertel Jahrhundert später hat das Schicksal dann erbarmungsloser zugeschlagen. Der Mann, den sie geliebt und kurz vor dem zweiten Weltkrieg geheiratet hat, kämpfte in Russland an vorderster Front. Sie las mir oft den Brief des Oberfeldwebels vor. Er starb ehrenvoll im Felde, wo ihn die tödliche Kugel traf. Die tödliche Kugel? Meine Grossmutter wusste, dass es nur die halbe Wahrheit war. Russische Kampfpanzer sind über den Schützengraben gerollt, in dem sich mein Grossvater und seine Kameraden verschanzt hatten. Nur wenige hatten überlebt und über die wahren Ereignisse berichtet. Meine Mutter war damals mit sechs Jahren noch zu klein, um das alles begreifen zu können. Sie kannte ihren Vater auch kaum. Nur zweimal hatte er Fronturlaub bekommen, und der dauerte auch nur wenige Tage.

Das Haus hat sie fast ohne fremde Hilfe wieder aufgebaut. Nach der Rückkehr aus der Evakuierung stand sie erst einmal vor einem grossen Haufen Schutt und Scherben, der einmal ihr zuhause gewesen war. Als Kriegerwitwe, Trümmerfrau, Alleinerziehende und Überlebende einer sinnlosen Menschen- und Materialschlacht vertraute meine Grossmutter nur noch auf Gott und auf sich selbst. Denn ausser den beiden hat ihr so gut wie niemand geholfen. Und dabei hätte sie beinahe auch noch ihr einziges Kind verloren. Im letzten Kriegsjahr erkrankte meine Mutter an Diphterie. So schlimm, dass der Arzt sie bereits aufgegeben hatte. Grossmutter hat weiter gekämpft – und gesiegt.

Sie wohnte im selben Ort wie meine Eltern und wie ich heute noch. Ein Siedlungshaus mit kleinen Fenstern und einem grossen Garten, der fast bis an die Rur reichte. Auf dem Hof hinter dem Haus existierte noch die Grube, worin die Fäkalien flossen, als es im Haus noch keine Toilette gab. Und der kleine Luftschutzbunker, der ihr zur Lagerung des Eingemachten diente. Sie hat bis zu ihrem Tod in diesem Haus gewohnt und ist auch dort gestorben. Das Dach wurde irgendwann mal erneuert, weil es an zu vielen Stellen undicht wurde. Sonst hatte sich im Laufe der Jahrzehnte nichts verändert. Sie feuerte mit Holz und Briketts und das Badewasser wurde einmal in der Woche auf dem Kohlenherd heiss gemacht. Hühner hatte sie, so lange ich zurückdenken kann. Ich fands lustig, ihnen im Garten die Würmer auszugraben. Weniger lustig wars allerdings, als Grossmutter ein Huhn griff, dieses durch mehrmaliges Rundschleudern betäubte und ihm mit einem gezielten Beilhieb den Kopf vom Rumpf trennte. Ich hab damals kein Hühnchen gegessen, nur die frischen Frühstückeier liebte ich über alles.

Ich liebte auch ihre Graupensuppe. Und die konnte nur Grossmutter so lecker zubereiten. Was genau sie enthielt, wird für immer ihr Geheimnis bleiben, aber auf jeden Fall gings vorher einmal querbeet durch den Gemüsegarten. Mir war das egal, Hauptsache, sie schmeckte lecker wie immer und es war kein Hühnerfleisch darin.

Und Gartenarbeit hab ich von ihr gelernt. Vor allem, wie man im Herbst nach der Kartoffelernte richtig umgräbt. Und zwar so, dass im Frühjahr möglichst spät möglichst wenig Unkraut hervorspriesst. Sie stand auch immer daneben und kontrollierte das. Mit dem Garten war sie eigen, wie auch mit manch anderen Dingen. Ich war ihr einziges Enkelkind und hatte bereit zu sein, wenn sie irgendetwas wichtiges brauchte. Und das waren im allgemeinen die Medikamente gegen Herzrasen, ihre Feodora-Vollmilchschokolade und Zigaretten. Ja, das Rauchen habe ich leider auch bei ihr gelernt. Wie so viele Kriegerwitwen hatte sie damals mit dem Rauchen angefangen. Eine Schachtel HB reichte genau zwei Tage. Später als pubertierender Bengel fand ich es immens toll, dass Oma mir hin und wieder ’ne Zigarette unter die Nase hielt und mich für die getane Gartenarbeit ‚belohnte‘. Natürlich belohnte sie mich auch anders, und ich hab von ihr so manchen Zehner zugesteckt bekommen.

Und ich durfte mich so richtig dreckig machen. Ob ich nun im Garten wühlte, die Briketts im Schuppen neu stapelte oder mit Freunden losstapfte, um an der Rur bewaffnet mit Einmachglas und Küchensieb Jagd auf Stichlinge und Molche zu machen – sie lächelte trotzdem, auch wenn ich mit schlammverkrusteten Gummistiefeln ins Haus stürmte, um ihr stolz meinen aktuellen Fang zu präsentieren. Damals fuhr ich noch Kettcar. Von meinem Elternhaus bis zu ihr warens nicht mal zehn Minuten, wenn ich in die Pedale trat. Zurück ein bisschen länger, aber da gings auch den Berg hoch. Manchmal durfte ich auch samt Kettcar über Nacht dort bleiben und dann schlief ich im Speicherzimmer. Dort, wo meine Eltern ihre ersten gemeinsamen Nächte verbracht hatten. Abends konnte ich das nahe gelegene Wehr hören und das sanfte stetige Plätschern des Wassers hat mich binnen Sekunden in den Schlaf gelullt. Aber da war ich auch schon übermüde, weil ich bei Grossmutter länger aufbleiben durfte als zuhause. Sie ging nie vor ein Uhr nachts ins Bett. Dafür brauchte sie ihren Mittagsschlaf zwischen eins und drei und wehe, ich hätte sie da gestört. Wie schon erwähnt, in manchen Dingen war sie eigen.

Natürlich hab ich sie nie Grossmutter genannt, sondern Oma. Und wie alle Omas hat sie sich auch irgendwann aufgemacht und mich allein gelassen. Ein Teil von ihr wird immer bei mir sein. Aber dass sie ihr Graupensuppenrezept nicht hinterlassen hat – das verzeih ich ihr so schnell nicht. Den Geschmack hab ich manchmal heute noch auf der Zunge liegen.

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Zeitreise

Einigkeit macht stark.

1957. Deutschland im Atem des Wirtschaftswunders. In mehreren Betrieben der Bundesrepublik Deutschland wird die 45-Stunden-Woche eingeführt und die ersten rund 10.000 Wehrpflichtigen rücken in die Bundeswehrkasernen ein. Der Bundestag verabschiedet ein Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Darin wird die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand in der Ehe eingeführt. Außerdem wird entschieden, daß Männern weiterhin bei Uneinigkeit in Bezug auf die Kindererziehung einen ‚Stichentscheid‘ haben. In Garching bei München geht als erstes bundesdeutsches Kernkraftwerk ein Forschungsreaktor in Betrieb, Willi Brandt wird zum regierenden Bürgermeister von West-Berlin gewählt und das Deutsche Fernsehen zeigt mit seiner eigenen Filmproduktion ‚Der Richter und sein Henker‘ nach einem Roman von Friedrich Dürrenmatt den ersten abendfüllenden Spielfilm. Im selben Jahr geben sich meine Eltern das Ja-Wort.

2007. Deutschland in Atem. Der Orkan Kyrill fordert bundesweit elf Menschenleben und hunderte Verletzte. Insgesamt 45 Verhandlungstage sind angesetzt beim Prozess um die Rekruten-Misshandlungen in einer Coesfelder Kaserne, während Paris Hilton bereits im Knast sitzt. Begleitet von einem der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik findet im Ostseebad Heiligendamm der G8-Gipfel statt, die Verfassungsrichter untersagen heimliche Vaterschaftstests und die Emanzenzeitschrift ‚Emma‘ wird dreißig. Wir sind seit über einem Jahr Papst und ein Rock geht weiterhin durch’s Land – beide mehr oder weniger erfolgreich. Die Scheidungsrate liegt bei über 50 Prozent. Und meine Eltern feiern goldene Hochzeit.

Ein halbes Jahrhundert dazwischen. Ein halbes Jahrhundert Freude und Leid gleichermassen. Damals schwamm ich noch in Abrahams Wurstkessel und kenne daher die ‚ersten Stunden‘ nur aus Erzählungen.

Zeit für sich haben sie nur ganz wenig gehabt. Die 70-Stunden-Woche war die Regel, manchmal auch mehr. Nur der Sonntag blieb, um vom Alltagsleben Abstand zu nehmen. Hin und wieder mal mit dem Picnic-Korb in’s Grüne oder zu Kaffee und Kuchen bei Muttern. Das war’s schon, und oft genug passierte auch gar nichts, weil sie von der Woche viel zu geschafft waren. Viel zu wenig Zeit, nicht nur für den Luxus des Nichtstuns – selbst zum Streiten reichte es meistens nicht. Natürlich gab’s auch mal Probleme. Aber nicht viele. Und wenn, dann auch nicht von den Selbstangerührten oder solchen, die nicht wirklich welche sind. Und für den Rest ergab sich immer eine Lösung. Einigkeit hat stark gemacht.

Der erste Urlaub mit dem Goggomobil: Sieben Stunden Landstrasse bis zum ersten Möwengelächter kurz vor der holländischen Küste. Das Meer kannten sie bis dahin nur von Bildern und Erzählungen. Nach drei Tagen ging’s auch schon wieder zurück. Unfreiwillig, weil der Sonnenbrand das Liegen im Zelt unerträglich machte. Dass man am Meer um ein vielfaches schneller verbrennt als im Landesinneren… woher sollten sie das auch wissen – ohne Fernseher und Internet und ohne jegliche polyglotte Erfahrung? Aber immerhin vier Räder und ein Dach gegen den Regen. Das war nach den Jahren auf dem Motorrad fast wie der päpstliche Segen für einen Provinzpfaffen.

Aber Ferien blieben die Ausnahme; zumindest solche, in denen nicht gearbeitet wurde. Fast drei Jahre dauerte es vom ersten Spatenstich bis zur Begrünung des Gartens. Mich gab’s immer noch nicht, aber immerhin stand ich schon zur Debatte. Ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und ein Kind zeugen – immer hübsch der Reihe nach. Auch mal wieder Urlaub – diesmal mit dem Käfer. Einer der ersten Export-Modelle mit grosser Heckscheibe. Ein 59’er in dunkelblau. Heute wär’s wohl ein nacht- oder tiefseeblaumetallic, wenn auch nicht mehr auf einem Blech, das jeglichem Rosten trotzig entgegenlacht. Heiligs Blechle – der Provinzpfaffe hat seinen Opel ‚Olympia‘ sicher nicht halb so liebevoll gepflegt als mein dad seinen Käfer… päpstlicher Segen hin oder her. Das Zelt hatte mittlerweile Stehhöhe. Und das reichte dann auch für eine alpine Tour bis zum Lago Maggiore. Diesmal sogar ohne Sonnenbrand. Und auch für Streitigkeiten war die Zeit viel zu kostbar. Meinungsverschiedenheiten – das übliche halt, was man damals so üblich nannte. Aber auch nicht viele. Und eine Lösung fanden sie immer. Einigkeit machte stark.

Mittlerweile hab‘ ich nicht nur das Licht der Welt erblickt, sondern krabbel‘ auf diesem Erdball schon eine ganze Weile herum. Apropos Krabbeln… an den Käfer allerdings kann ich mich sogar schwächlich entsinnen; damals passte ich längenmässig locker auf die Rückbank. An Streitigkeiten meiner Eltern kann ich mich ebenso schwach erinnern. Ein Akt der Gewalt kam tatsächlich auch vor, doch kenne ich die Story vom Ei, das meinem Vater im Laufe dieses gemeinsamen halben Jahrhunderts an den Kopf flog, auch nur aus Erzählungen. Dabei hat meine mum wohl absichtlich so daneben gezielt, dass anschliessend einzig die Wand gereinigt werden und mein Vater kein Aspirin schlucken musste.

Und mittlerweile haben sie ’nen Peugeot ‚Partner‘. Der Name ist sinnig und passt wie die Faust auf’s Auge. Sie waren Partner, sind Partner und werden auch weiter Partner sein. Für Streitigkeiten ist ihnen die Zeit viel zu kostbar. Bis auf das übliche. Fast so wie damals. Und eine Lösung findet sich immer – nun ja, fast immer. Manchmal fragen sie tatsächlich auch mich. Einigkeit macht stark.

Aber etwas passendes zu ihrem grossen Tag ist mir noch immer nicht eingefallen. Revanchieren, wie ich das möchte, kann ich mich eh‘ nicht. Die Tatsache, dass ich noch immer von ihnen lerne, lässt mich wieder einmal darüber nachdenken, dass ich ohne sie nicht zu dieser Harmoniebedürftigkeit gelangen konnte, wie ich sie seit Jahren in mir trage. Für Streitigkeiten ist mir die Zeit zu kostbar. Bis auf das übliche halt. Eine Lösung findet sich fast immer. Und wenn nicht, dann frag‘ ich noch manchmal sie.

Einigkeit macht stark.

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Crema Nerone

Ein kaiserliches Dessert

  • 150 ml Rotwein (Nero d’Avola)
  • 100 Gr. dunkle Schokolade (70%)
  • 2 Eier
  • Puderzucker
  • 250 Gr. Sahne
  • frische Beerenfrüchte o.ä. nach Belieben

Den Rotwein einkochen lassen – so auf knapp 2/3 Menge – und darin die dunkle Schokolade aufgelösen. Ein ganzes Ei sowie ein Eigelb mit drei gehäuften Eßlöffeln Puderzucker schaumig aufschlagen – wer es süsser mag, kann auch mehr Zucker nehmen. Wichtig aber ist, die Masse erst in die Rotwein-Schokoladenmischung zu rühren, wenn diese abgekühlt hat.

Die Sahne steif schlagen und anschliessend unter die vollständig abgekühlte Schokomasse heben, und das heisst möglichst vorsichtig. Das Ziel ist, eine zartschmelzende, lockere Crema zu erreichen, die ohne gelatine Helferlein auskommt und den puren Genuss von Schokolade und Rotwein offenbart.

Die Crema ist schön locker fluffig – auch nach einer Nacht im Kühlschrank. Wenn man denn eine reine ‚Mousse‘ haben ,möchte, kann man natürlich zusätzlich Eischnee und dafür weniger Sahne nehmen, dann wird’s aber nicht mehr ganz so ‚cremig‘. Die Zutaten kann man übrigens auch in die Eismaschine füllen.

Angeregt wurde ich wieder einmal in Rom. Die Gelateria del Teatro rühmt sich als eine der besten Eisdielen der Stadt, und das nicht zu unrecht. Nur in den Sommermonaten offerieren sie ein Eis, das nicht nur den Schokoladenfan überzeugt; die Verbindung von Kakaobohnen und Weintrauben beweist wieder einmal mehr, dass die Italiener als unangefochtene Meister der gefrorenen Gaumenfreuden einfach nicht zu toppen sind.

Sicilian Ice Tea

Vorsicht – hoher Suchtfaktor

  • 1 Teil „Safari“
  • 2 Teile Earl Grey Tea
  • 3 Teile Rotwein
  • 4 Eßl. Himbeersaft
  • ein paar Himbeeren
  • evtl. eine halbe Passionsfrucht
  • crushed Ice

Die Zutaten etwas ‚anrühren‘ und ein paar Minuten stehen lassen, damit sich das Aroma der Himbeeren ausbreiten kann. Eine halbe frische Passionsfrucht gibt noch mal den Kick. Dann mit crushed Ice auffüllen.

Die Idee stammt aus dem Obicà auf dem Campo dei Fiori in Rom – ein Insidertreff, wo sich Einheimische und Touristen gleichermassen gerne auf ein Glas Wein, einen der vielen leckeren Cocktails oder die Spezialität des Hauses „Mozzarella di Bufala“ niederlassen und das ‚dolce vita‘ geniessen. Standesgemäss nimmt man einen sizilianischen Syrah, aber eben so gut eignet sich natürlich auch jeder andere trockene, gute Rotwein.  Anstelle des Safari kann man auch Passoa oder einen fruchtigen Pfirsichlikör verwenden.

gai pad med mamuang

Ein mildes und aromatisches Gericht aus Thailand

  • 300 Gramm Hühnerbrust
  • 1/2 rote Paprika
  • 1/2 grüne Paprika
  • 1 Zwiebel
  • 1/2 Bund Frühlingszwiebeln
  • 1/2 Limone
  • 3 Knoblauchzehen
  • 3 kleine getrocknete Chilischoten
  • 1/2 Tasse getrocknete asiatische Pilze
  • 3/4 Tasse Cashew-Kerne
  • 1 Eßl. geröstete Chilipaste
  • 2 Eßl. dunkle Sojasauce
  • 1 Eßl. Austernsauce
  • 1 Eßl. Fischsauce
  • 1 Eßl. Palmzucker (ersatzweise brauner Zucker)
  • Tempuramehl
  • Erdnußöl

Die Pilze im Wasser gut einweichen und anschliessend ausdrücken. Es eignen sich übrigens alle Arten asiatischer Trockenpilze wie beispielsweise Shiitake, Reisstrohpilze und Black Fungus, notfalls kann man jedoch auch auf getrocknete Steinpilze oder Champignons zurückgreifen.

Die Cashew-Kerne in der Pfanne ohne Fett anrösten und abkühlen lassen, die Hälfte davon im Mörser fein zerstossen und den Rest beiseite stellen. Den Knoblauch in dünne Scheiben und Paprika, Zwiebel und Frühlingszwiebeln in Stücke schneiden. Die Hühnerbrust ebenfalls in Streifen schneiden und mit dem Tempuramehl bestäuben.

Die Hähnchenstücke in der heißen Pfanne oder im Wok mit ein wenig Öl knusprig anbraten und beiseite stellen. Sodann den Knoblauch hellbraun anrösten und ebenfalls aus der Pfanne nehmen, damit er nicht dunkel und damit bitter wird. Erneut ein wenig Öl in der Pfanne oder im Wok heißwerden lassen und Paprika, Zwiebel, Pilze und die zerkleinerten Chilischoten ca. 4 Minuten unter Rühren anbraten.

Anschliessend die zermahlenen Cashew-Kerne kurz mitrösten und die Sojasauce, Austernsauce, Fischsauce, Palmzucker, die restlichen Cashewkerne und das Fleisch hinzufügen und kurz heißwerden lassen. Zum Schluß die Frühlingszwiebeln und den Saft einer halben Limone zugeben und das ganze mit Jasmin- oder Duftreis servieren.

Best of Currywurst

Die ultimativ beste Currywurst aller Zeiten

  • 2 rote Paprikaschoten
  • 2 mittelgrosse Zwiebeln
  • 1/2 Päckchen MAGGI „Delikatess Bratensosse“
  • 1 Päckchen MAGGI „Delikatess Tomatensosse“
  • 1 1/2 gehäufte Teel. Rinds-Boullion
  • 1 kleine Flasche (0,4 l) HELA „Curry Gewürz Ketchup“
  • 0,1 l Tomatenketchup
  • 4 kleine getrocknete Chilischoten
  • 3 gehäufte Eßl. Currypulver
  • 1 gehäufter Teel. Zimtpulver
  • 1 gestrichener Teel. Nelkenpulver
  • 1 gehäufter Eßl. brauner Zucker
  • 1 gehäufter Teel. weisser Pfeffer
  • Salz nach Belieben
  • und natürlich gute dicke Rostbratwürste vom Metzger…

Paprika und Zwiebeln fein hacken und in einem Liter Wasser in einem grossen Topf zusammen mit den getrockneten Chilischoten ca. 1/2 Stunde weichkochen. Dabei den Topfdeckel nicht abnehmen, damit nicht zu viel Flüssigkeit verdampfen kann. Wer es gerne scharf mag, gibt einfach ein paar Chilischoten mehr hinzu. Sodann das ganze im Mixer oder mit dem Zauberstab gut pürieren, die Bratensosse, die Tomatensosse und die Rindsboullion einrühren und 10 Minuten köcheln lassen. Anschliessend den Curry-Ketchup, den Tomatenketchup und die Gewürze zufügen und nochmals gut durchmixen. Das ganze dann nochmals bis zur gewünschten Dicke einkochen lassen und abschliessend abschmecken.

Die Bratwurste nach Belieben in Pfanne, Ofen oder auf dem Grill braten und mit reichlich heisser Sosse servieren. Dazu reicht ein einfaches Weizenbrötchen vollkommen aus.

Anstelle der Rostbratwürste kann man natürlich auch Bockwürste frisch vom Metzger verwenden, die man am besten im Ofen grillt. Es sollten allerdings unbedingt die Zutaten der hier angegebenen Hersteller verwandt werden, nur so ist der ultimative Geschmack garantiert. Die Sosse lässt sich auch gut auf Vorrat herstellen und einfrieren.

Bobotie speciaal

Ein exotischer Auflauf aus dem Süden Afrikas

  • 600 Gr. Hackfleisch halb/halb
  • 2 altbackene Weizenbrötchen
  • 2 Zwiebeln
  • 200 Gr. Prinzeßbohnen
  • 250 Gr. Kokosmilch
  • 100 Gr. Creme fraiche
  • 3 Bananen
  • 4 Eier
  • 50 Gr. gehackte Mandeln
  • 3 Eßl. Mango-Chutney
  • 4 Eßl. weisser Essig
  • 3 Eßl. Curry-Pulver
  • 1 Eßl. brauner Zucker
  • abgeriebene Schale einer Zitrone
  • Salz
  • schwarzer Pfeffer
  • einige Lorbeer- oder Zitronenblätter
  • Sonnenblumenöl

Die Brötchen kleinschneiden, mit der Kokosmilch übergiessen und eine halbe Stunde quellen lassen.

Die kleingehackte Zwiebel im Öl anbräunen. Das Hackfleisch hinzugeben und bei kleiner Hitze krümelig, aber nicht zu braun braten. Sodann Curry hinzugeben und wenige Minuten mitbraten. Anschliessend mit Mango-Chutney, Essig, Zucker, Zitrone und Creme fraiche gut verrühren und aus der Pfanne nehmen, damit die Masse etwas abkühlen kann.

Die Brötchen gut ausdrücken und dabei die Kokosmilch auffangen. Die Hackfleischmasse mit den ausgedrückten Brötchen und 2 Eiern sehr gut durchmengen und sodann die klein geschnittenen Bohnen und die Mandeln unterziehen. Sollten Prinzeßbohnen nicht erhältlich sein, kann man auch andere dünne Stangenbohnen verwenden.

Die fertige Masse in eine geölte Auflaufform streichen, mit den Lorbeer- oder Zitronenblättern spicken und im vorgeheizten Backofen bei 180 Grad 30 Minuten backen; anschliessend die Blätter entfernen.

Die Bananen halbieren und auf dem Auflauf verteilen. Die restlichen 2 Eier mit der aufgefangenen Kokosmilch aufschlagen und über die Bananen giessen. Anschliessend nochmals ca. 20 Minuten bei 180 Grad fertigbacken, bis die Oberfläche leicht gebräunt ist. Notfalls den Grill für die letzten Minuten zuschalten.

Serviert wird das Bobotie standesgemäß mit Rosinen-Reis, Mango-Chutney und frisch geriebener Kokosnuss.

Running with the dog

Gibt es noch Wildhunde auf dieser Erde?

Ja, aber der Bestand ist bedroht – nur noch 500 Tiere werden in Namibia gezählt. Der freundliche Killer, gerühmt wegen seines Jagderfolgs, ist selten geworden. In Relation zu seinem Gewicht besitzt er die grösste Beisskraft im Reich der wilden Tiere. Kein anderes afrikanisches Raubtier jagt effizienter als der Wildhund und während beispielsweise Löwinnen nur jeden zehnten Versuch mit einem Kill beenden, führt bei ihnen jeder zweite Jagdanlauf zum Ziel. Wer also könnte mir besser und effizienter die Schönheiten Namibias nahebringen als ein Wildhund. Einer, der auf ‚du und du‘ mit all den Gegebenheiten lebt, das ein Land, welches im Prinzip nur aus Wüsten besteht, bieten kann. Namibia – ein Land, das seit fast zwei Jahren keinen nennenswerten Regen mehr erlebte. Eine Wüste, deren Bewohner dem Übel trotzig entgegen strotzen und auf die kommende Regenzeit hoffen. Ein Land voller Kontraste und Widersprüche, mit seiner einzigartigen Mischung aus afrikanischen und europäischen Einflüssen. Namibia, das „Land of the Brave“.

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Fast 18 Jahre liegt meine letzte Reise ins südliche Afrika zurück, aber die Erinnerungen, als ich mit ‚drifters‘ durch das Okavangodelta getourt bin, haben mich wach gehalten. Nun ja, damals waren die Camps noch ‚back to basic‘ – nur ein Holzschild „Botswana Camp Site“ an einem Mopanebaum erlaubte uns, die Zelte aufzuschlagen und dann wurde erst mal ein Loch gegraben, in das man kacken konnte. Namibia ist anders. In Namibia musst du kein Loch graben. In Namibia haben die Camps Toiletten, Stromanschluss und in den allermeisten Fällen sogar einen pool. Das Land mit der höchsten Lebensqualität in ganz Afrika, und trotzdem gilt auch hier die wichtigste Regel zu beachten, die mir in den Jahren prägend in Erinnerung geblieben ist: „Listen to your Guide“.

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Auch wenn die Umgebung manchmal vorgaukelt, man befinde sich inmitten der kuscheligen Sicherheit daheim, gelten für den afrikanischen Kontinent ganz andere Regeln. Das heisst zwar nicht, dass man dort nun ständig lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt wäre, aber es schadet nicht, die wenigen – ganz besonderen Vorsichtsmassnahmen zu beachten. Anders als in Europa besteht die Fauna auch aus giftigen und für Leib und Leben gefährlichen Tieren, wenn auch ein Zusammentreffen mit den meisten ziemlich unwahrscheinlich ist. Denn es liegt in der Natur der Tiere, dem Menschen auszuweichen, wann immer es möglich ist. Weder Schlangen noch Skorpione oder sonstwelches Viehzeug greift grundlos an. Dies sollte man beherzigen, dann sind Sandalen an den Füssen auch für den Touristen, der vorausschauend auf seine Tritte achtet, kein Problem. Und von der Grösse sollte man sich nicht täuschen lassen: Fast jedes noch so unscheinbare Geschöpf der afrikanischen Tierwelt ist im Zweifel flinker als du – daher ist es ratsam, schneller rennen zu können als der langsamste deiner Mitreisenden.

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Campen ist im ganzen Land problemlos möglich, und das auch ohne Zäune oder Stacheldraht. Warum? Auch für die gefährlichste Raubkatze ist das Zelt einfach nur ein uninteressanter Steinhaufen, und ohne besonderen Grund wird kein Tier diese Zone betreten. Besondere Gründe wären beispielsweise die Lagerung von Nahrungsmitteln; dass man keine fleischigen Überreste des Abendessens hortet, versteht sich von selbst, aber ebenso sollten Früchte, insbesondere Zitrusartige vor dem Zelt bleiben, denn ein Elefant neben dem Bett verdirbt einem garantiert die Nachtruhe. Darüber hinaus ist die Verpflegung so gut und reichlich, dass man erst gar nicht in die Versuchung kommt, Essen im Zelt zu deponieren.

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Namibia ist hinter der Mongolei das bevölkerungsärmste Land der Erde; die Chance, einem kapitalem Verbrechen zum Opfer zu fallen ist vergleichsweise sehr gering. Trotzdem gelten auch hier die Vorsichtsmassnahmen, die für alle Länder gelten, in denen Armut und Reichtum eng beieinander leben: Lächele, aber sei auf der Hut. Namibia war und ist das Land mit den weltweit größten Einkommensunterschieden. Die vor der Plautze baumelnde digicam ist eben so kontraproduktiv wie die lässig über der Schulter hängende Luxustasche. Beherzigt man dies, wird ein Aufenthalt in Namibia zu einem unvergesslichen Erlebnis werden; vor allem, wenn man ‚back to basic‘ unterwegs ist. Und die comfortzone nature hat noch weit mehr zu bieten als abendliche Lagerfeuerromantik.

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Wer mit dem Zelt reist, weiss, worauf er sich einlässt. Der Umstand, dabei mit einer Gruppe unterwegs zu sein, fordert ein Mindestmass an Teamgeist und Mithilfe bei den alltäglichen Dingen des Campingalltags. Die Guides sind auf tatkräftige, helfende Hände angewiesen, sei es beim Aufbau des Camps oder bei der Zubereitung der Mahlzeiten. Die Jungs geben sich alle Mühe, den Gästen die Tour so angenehm wie nur irgend möglich zu machen, aber sie haben nur vier Arme. Täglich muss das Fahrzeug be- und entladen werden – vor allem die schweren Zelte auf dem Dach zu verstauen bringt die Wilddogs manchmal an ihre Grenzen.

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Geschlafen wird in einfachen, stabilen Zelten, die ganz easy und schnell auf- und abzubauen sind. Hier gilt in besonderem Maß der Blick auf das bereits erwähnte krabbelnde Viehzeug: Vorsicht, wohin man greift, wohin man tritt und wohin man sich setzt oder legt! Die Schuhe gehören in’s Zelt und nicht davor, und man sollte sie sicherheitshalber vor dem Anziehen ausschütteln. Gerade Skorpione nutzen nachts gerne die Gelegenheit, sich ein warmes Schlafplätzchen zu suchen. und so sollte man am Morgen auch beim Zusammenlegen der Zeltplane darauf achten, keinen dieser giftigen Gesellen versehentlich mit einzupacken. Darüber hinaus ist ein offenes Zelt eine Einladung für alle Vier- und Vielbeiner und daher ein no-go. Sollte man wirklich den abendlichen Blick auf den Sternenhimmel ohne störende Zeltbahn geniessen wollen, findet sich meist ein Platz auf dem Safari-Truck, wo man vor Übergriffen nächtlicher Räuber sicher ist. Ein Moskitonetz hilft, auch die kleinen Jäger abzuhalten.

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Die Campingplätze sind mit allem Notwendigen und meistens auch mit dem Luxus eines Pools ausgestattet, nur darf man hier keinen europäischen Standard erwarten. Dafür liegen sie landschaftlich überaus reizvoll. Die Naturnähe darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Camps nicht eingezäunt sind. Der Mensch steht zwar nicht auf dem Speisezettel der einheimischen Fauna, trotzdem ist davon abzuraten, nachts unnötige Spaziergänge in die Umgebung zu unternehmen.

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Listen to your Guide! Deinem Führer kannst und solltest du blind vertrauen. Er sieht garantiert mehr als du und teilt sein Wissen gerne mit dir. Wer eine Campingtour im südlichen Afrika unternimmt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass man den europäischen Standard hinter sich lässt, im Gegenzug aber mit Eindrücken belohnt wird, die weit über Naturschönheiten, Artenreichtum und kulturellen Begegnungen hinausgehen. Es ist das das besondere Gefühl, das sich einstellt, wenn man eine Reise direkt aus der Quelle schöpft.

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Danke ‚wilddogs‘! Ihr seid Profis! Ihr seid Wildhunde – eben die besten Spürnasen, in deren Hände ich mich jederzeit wieder begeben würde.

Der Mut, der leise ist

Oder: Wie feige sind wir?

Manchmal komme ich mir vor, als wäre ich vom Leben ausgeladen worden. Und ich möchte es doch so gerne als Einladung verstehen. Vom Leben ausgeladen – das ist manchem, wenn er auf sein Dasein schaut, wie aus dem Herzen gesprochen.

Die erste Hälfte des Lebens besteht aus Programmvorschau. Die zweite läuft unter dem Titel: „Erinnerst du dich?“.

Viele sprechen von der Last, die ihnen das Leben auflegt. Andere sprechen von der nötigen Anpassung, die einem hilft, das Leben zu bestehen. Und manch einer versucht auf eine ironische Weise damit umzugehen: „Das Leben ist ein mieses Theaterstück. Man sollte pfeifen, rausgehen und sein Geld zurückverlangen. Aber von wem?“ (Hans-Hermann Kersten). Und wer seine bitteren Erfahrungen nicht vergessen kann, wie sollte der nicht verstehen: „Leben ist, als müsse man Honig von den Dornen lecken.“

Es gibt den Satz: „Niemand kann aus seiner Haut heraus.“ Kann also auch niemand aus seinem Leben heraus? Manch einer hätte gern diese Haut abgelegt, eben weil er dauernd von einer anderen träumt. Ein anderer wünscht sie genau diese, die der andere gerade ablegen will. Er meint, Anrecht auf etwas Besseres, Gründlicheres, Originelleres oder irgendwie Abenteuerlicheres zu haben.

Siegen und Gewinnen gehört zu unserem Leben. Und wenn es uns nicht so direkt zuteil wird, dann werden wir die Sehnsucht danach doch niemals los. Aber Verlieren – das ist eine schmerzliche Erfahrung. Und wer möchte schon mit Verlusten leben? Dabei macht jeder von uns die Erfahrung, dass er in seinem Leben so manches verliert, von dem er gemeint hat, es gehöre ihm immer und für alle Zeiten. Verlieren tut weh und mit Verlusten leben wäre etwas, was mancher als unvermeidbar zwar akzeptiert, obwohl er nicht gerne davon redet.

Mit Verlusten leben – an Verlusten reifen.

Aber an Verlusten reifen? Wie geht das? Vielleicht wird das erst dann möglich, wenn man diesen Verlust so verarbeitet hat, dass das, was ihn bewirkte, durch einen hindurchgeht. Vielleicht kommt es soweit, dass ich entdecke: Was mir da genommen wird und was jetzt als Neues auf mich zukommt, will eine Herausforderung sein, der ich mich stellen muss.

„Man muss in sich selber leben und an das ganze Leben denken, an all seine Millionen Möglichkeiten, Weiten und Zukünfte, denen gegenüber es nichts Vergangenes und Verlorenes gibt.“ (Rainer M. Rilke)

In unserer Gesellschaft wird Wachstum gross geschrieben. Jeder möchte daran Anteil haben. Die Stichworte sind hinreichend bekannt. Sie begegnen uns zum Beispiel, wenn es heisst, die Wirtschaft müsse wachsen. Aber es gibt auch eine Rückseite. Und auch da gibt es ein Wachstum.

Die wachsende Einsamkeit unter uns.

Es werden nicht wenige sein, die davon betroffen sind. Denn immer mehr Menschen erleiden, was Anonymität, Beziehungslosigkeit, Isolation, Einsamkeit bedeuten. Vorzüge der Freiheit des Alleinseins? Für viele ist die Stimmung umgeschlagen. Und wenn man in die Sprechstunde der Psychologen und Therapeuten hineinhorcht, dann sind die Signale, die von dort kommen, deutlich genug. Ist es so, dass die wachsende Einsamkeit der Menschen möglicherweise eine der ernsthaftesten Krankheitsursachen unserer Zeit ist? Und hat jener Arzt Recht, der schreibt: „Ein gebrochenes Herz ist keine dichterische Erfindung. Es gibt einen schrecklichen Zusammenhang zwischen dem Mangel an Partnerschaft und Herzkrankheiten“?

Und man möchte da heraus. Aber wie sind die Erwartungen dabei? Sind sie nicht zu oft falsch orientiert? Zu viele wollen zu viel zugleich: Totale Unabhängigkeit UND einen festen Partner; die Vorteile einer Familie, aber keine Pflichten; sie wollen die Gemeinschaft, sind aber nicht bereit, sich an deren Gesetze zu halten.

Wie viele Versuche und wie viel Resignation!

Worauf es ankommt, ist, dass jemand, der einen braucht, der ihm zuhört, auch selber einer sein muss, der zuhören will. Und dass jemand, der seine Einsamkeit verlässt und eine Partnerschaft eingeht, auch selber bereit sein muss, Partner zu sein. Denn das Ich findet sich am Du. Und ohne Du geht das Ich verloren.

Der Psychologe Viktor E. Frankl schreibt über uns: „Im Gegensatz zum Tier sagen dem Menschen keine Instinkte mehr, was er tun muss. Und im Gegensatz zum Menschen von gestern sagen dem Menschen von heute keine Traditionen mehr, was er tun soll. Nun, weder wissend, was er tun muss, noch wissend, was er tun soll, scheint er oftmals nicht mehr recht zu wissen, was er im Grunde will.“

Und Max Frisch hat von der „fidelen Resignation“ als ein Kennwort unserer Zeit gesprochen – das klingt altmodisch, benennt aber treffend die Schattenseite einer reizüberfluteten Gesellschaft, in der viele dem Spass hinterherlaufen.

Sind wir feige?

Das Leben ist kein Wunschkonzert, wo wir uns lediglich zurücklehnen brauchen, um genüsslich und mit anhaltender Begeisterung im Takt der Musik mitzuwiegen. Aber im Grunde ist unser Dasein simpel und an den Wegen stehen so viele Ruhbänke, dass ich mich wundere, wenn einer müde wird. Wir nennen uns oft stark aber wir sind es doch nicht wirklich. Mehr noch, wir sind feige geworden. Und genau dieser Mut fehlt uns: mutig zu sein gegenüber dem Unbequemen, Seltsamen und Wunderlichen, das uns im Leben begegnet.

Der Mut, der leise ist…