Running with the dog

Gibt es noch Wildhunde auf dieser Erde?

Ja, aber der Bestand ist bedroht – nur noch 500 Tiere werden in Namibia gezählt. Der freundliche Killer, gerühmt wegen seines Jagderfolgs, ist selten geworden. In Relation zu seinem Gewicht besitzt er die grösste Beisskraft im Reich der wilden Tiere. Kein anderes afrikanisches Raubtier jagt effizienter als der Wildhund und während beispielsweise Löwinnen nur jeden zehnten Versuch mit einem Kill beenden, führt bei ihnen jeder zweite Jagdanlauf zum Ziel. Wer also könnte mir besser und effizienter die Schönheiten Namibias nahebringen als ein Wildhund. Einer, der auf ‚du und du‘ mit all den Gegebenheiten lebt, das ein Land, welches im Prinzip nur aus Wüsten besteht, bieten kann. Namibia – ein Land, das seit fast zwei Jahren keinen nennenswerten Regen mehr erlebte. Eine Wüste, deren Bewohner dem Übel trotzig entgegen strotzen und auf die kommende Regenzeit hoffen. Ein Land voller Kontraste und Widersprüche, mit seiner einzigartigen Mischung aus afrikanischen und europäischen Einflüssen. Namibia, das „Land of the Brave“.

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Fast 18 Jahre liegt meine letzte Reise ins südliche Afrika zurück, aber die Erinnerungen, als ich mit ‚drifters‘ durch das Okavangodelta getourt bin, haben mich wach gehalten. Nun ja, damals waren die Camps noch ‚back to basic‘ – nur ein Holzschild „Botswana Camp Site“ an einem Mopanebaum erlaubte uns, die Zelte aufzuschlagen und dann wurde erst mal ein Loch gegraben, in das man kacken konnte. Namibia ist anders. In Namibia musst du kein Loch graben. In Namibia haben die Camps Toiletten, Stromanschluss und in den allermeisten Fällen sogar einen pool. Das Land mit der höchsten Lebensqualität in ganz Afrika, und trotzdem gilt auch hier die wichtigste Regel zu beachten, die mir in den Jahren prägend in Erinnerung geblieben ist: „Listen to your Guide“.

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Auch wenn die Umgebung manchmal vorgaukelt, man befinde sich inmitten der kuscheligen Sicherheit daheim, gelten für den afrikanischen Kontinent ganz andere Regeln. Das heisst zwar nicht, dass man dort nun ständig lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt wäre, aber es schadet nicht, die wenigen – ganz besonderen Vorsichtsmassnahmen zu beachten. Anders als in Europa besteht die Fauna auch aus giftigen und für Leib und Leben gefährlichen Tieren, wenn auch ein Zusammentreffen mit den meisten ziemlich unwahrscheinlich ist. Denn es liegt in der Natur der Tiere, dem Menschen auszuweichen, wann immer es möglich ist. Weder Schlangen noch Skorpione oder sonstwelches Viehzeug greift grundlos an. Dies sollte man beherzigen, dann sind Sandalen an den Füssen auch für den Touristen, der vorausschauend auf seine Tritte achtet, kein Problem. Und von der Grösse sollte man sich nicht täuschen lassen: Fast jedes noch so unscheinbare Geschöpf der afrikanischen Tierwelt ist im Zweifel flinker als du – daher ist es ratsam, schneller rennen zu können als der langsamste deiner Mitreisenden.

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Campen ist im ganzen Land problemlos möglich, und das auch ohne Zäune oder Stacheldraht. Warum? Auch für die gefährlichste Raubkatze ist das Zelt einfach nur ein uninteressanter Steinhaufen, und ohne besonderen Grund wird kein Tier diese Zone betreten. Besondere Gründe wären beispielsweise die Lagerung von Nahrungsmitteln; dass man keine fleischigen Überreste des Abendessens hortet, versteht sich von selbst, aber ebenso sollten Früchte, insbesondere Zitrusartige vor dem Zelt bleiben, denn ein Elefant neben dem Bett verdirbt einem garantiert die Nachtruhe. Darüber hinaus ist die Verpflegung so gut und reichlich, dass man erst gar nicht in die Versuchung kommt, Essen im Zelt zu deponieren.

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Namibia ist hinter der Mongolei das bevölkerungsärmste Land der Erde; die Chance, einem kapitalem Verbrechen zum Opfer zu fallen ist vergleichsweise sehr gering. Trotzdem gelten auch hier die Vorsichtsmassnahmen, die für alle Länder gelten, in denen Armut und Reichtum eng beieinander leben: Lächele, aber sei auf der Hut. Namibia war und ist das Land mit den weltweit größten Einkommensunterschieden. Die vor der Plautze baumelnde digicam ist eben so kontraproduktiv wie die lässig über der Schulter hängende Luxustasche. Beherzigt man dies, wird ein Aufenthalt in Namibia zu einem unvergesslichen Erlebnis werden; vor allem, wenn man ‚back to basic‘ unterwegs ist. Und die comfortzone nature hat noch weit mehr zu bieten als abendliche Lagerfeuerromantik.

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Wer mit dem Zelt reist, weiss, worauf er sich einlässt. Der Umstand, dabei mit einer Gruppe unterwegs zu sein, fordert ein Mindestmass an Teamgeist und Mithilfe bei den alltäglichen Dingen des Campingalltags. Die Guides sind auf tatkräftige, helfende Hände angewiesen, sei es beim Aufbau des Camps oder bei der Zubereitung der Mahlzeiten. Die Jungs geben sich alle Mühe, den Gästen die Tour so angenehm wie nur irgend möglich zu machen, aber sie haben nur vier Arme. Täglich muss das Fahrzeug be- und entladen werden – vor allem die schweren Zelte auf dem Dach zu verstauen bringt die Wilddogs manchmal an ihre Grenzen.

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Geschlafen wird in einfachen, stabilen Zelten, die ganz easy und schnell auf- und abzubauen sind. Hier gilt in besonderem Maß der Blick auf das bereits erwähnte krabbelnde Viehzeug: Vorsicht, wohin man greift, wohin man tritt und wohin man sich setzt oder legt! Die Schuhe gehören in’s Zelt und nicht davor, und man sollte sie sicherheitshalber vor dem Anziehen ausschütteln. Gerade Skorpione nutzen nachts gerne die Gelegenheit, sich ein warmes Schlafplätzchen zu suchen. und so sollte man am Morgen auch beim Zusammenlegen der Zeltplane darauf achten, keinen dieser giftigen Gesellen versehentlich mit einzupacken. Darüber hinaus ist ein offenes Zelt eine Einladung für alle Vier- und Vielbeiner und daher ein no-go. Sollte man wirklich den abendlichen Blick auf den Sternenhimmel ohne störende Zeltbahn geniessen wollen, findet sich meist ein Platz auf dem Safari-Truck, wo man vor Übergriffen nächtlicher Räuber sicher ist. Ein Moskitonetz hilft, auch die kleinen Jäger abzuhalten.

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Die Campingplätze sind mit allem Notwendigen und meistens auch mit dem Luxus eines Pools ausgestattet, nur darf man hier keinen europäischen Standard erwarten. Dafür liegen sie landschaftlich überaus reizvoll. Die Naturnähe darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Camps nicht eingezäunt sind. Der Mensch steht zwar nicht auf dem Speisezettel der einheimischen Fauna, trotzdem ist davon abzuraten, nachts unnötige Spaziergänge in die Umgebung zu unternehmen.

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Listen to your Guide! Deinem Führer kannst und solltest du blind vertrauen. Er sieht garantiert mehr als du und teilt sein Wissen gerne mit dir. Wer eine Campingtour im südlichen Afrika unternimmt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass man den europäischen Standard hinter sich lässt, im Gegenzug aber mit Eindrücken belohnt wird, die weit über Naturschönheiten, Artenreichtum und kulturellen Begegnungen hinausgehen. Es ist das das besondere Gefühl, das sich einstellt, wenn man eine Reise direkt aus der Quelle schöpft.

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Danke ‚wilddogs‘! Ihr seid Profis! Ihr seid Wildhunde – eben die besten Spürnasen, in deren Hände ich mich jederzeit wieder begeben würde.

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